♥ Matrosen

Als ich die Bar betrete, steigt mir der Zigarettenqualm direkt in die Nase. Ich gehe Richtung Theke und es riecht nach frisch gewaschenen, luftgetrockneten Haaren und Pomade. die Kotletten sind tief auf die Wangen gewachsen, es riecht nach Schnaps. Im Hintergrund läuft „Peggy Sue“ von Buddy Holly...

Ich sehe mich um, irgendwie sieht es hier aus wie auf einem alten Schiff. Ein ziemlich zugequalmtes Schiff, auf dem man die Luft fast schneiden kann. Die Musik macht mich fröhlich und ich fange an zu grinsen, und merke es schon viel zu spät, als ich feststelle, dass mir einige der anwesenden Matrosen zurück lächeln.
"Was möchte die Dame denn trinken? Sie sind heute eingeladen."
Na sowas.
"Oh das ist aber schön, ich nehme dann gern die Karte, Herr Kapitän..."
Er reicht mir die Karte. Na so war das jetzt nicht gemeint. Aber jetzt wo sie schon mal da liegt...
Grundsätzlich fange ich oben zu trinken, wenn ich mich entscheide, die Karte zu nehmen und hake ab, was ich schon hatte, dass ich nicht durcheinander komme.
"Haben Sie denn auch einen Stift?"
Drei betrunkene Matrosen drehen sich auf einmal um zu mir.
"Magste tanzen?"
"Neeee, also… später gerne."
Mal sehen - Tomatensaft. Na herrlich. Mit der Arschkarte hatte ich gerade nicht gerechnet.
Mittlerweile läuft der dritte Song, Johnny Cash trällert gerade 'I forgot to remember to forget her', wobei ich kopfschüttelnd an den glücklicherweise Verflossenen denken muß, der noch immer regelmäßig in seinen Stalkeranrufen bettelt, ich möge doch bitte, BITTE zu ihm zurückkehren! Was ich natürlich nicht tue, denn er war weder edel-kämpferisch noch hat sich Ritter, und erst recht nicht als Pferd bewährt.
"Ich hätte dann gern... ja also ich nehme ein Bier, bitte."
Ich hasse Bier. Aber auf dem segelgroßen Menuangebot kam das Bier gleich nach den Gemüsesäften.
"Bitteschön holde Maid. Das ist von dem netten Herrn dort drüben in der Ecke."
- „Sie sind übrigens die schönste Frau hier…“
Ich frage mich gerade noch, ob ich mich bedanken muß, schließlich hasse ich Bier, da fällt mir auch schon wieder ein, dass ich den Mist ja selbst verzapft habe und außerdem freundlich bin. Ich drehe mich um und lächle ihm prostend zu. Schon nach dem ersten Schluck ist mir klar:
"Captain - ein Glas Sekt noch bitte!"

Als Elvis rockt, schwinge ich meinen Pettycoat vom Barhocker. Ich stelle fest, dass ich neben der stark untersetzten Lady mit dem Spendenteller vor der Toilettentür die einzige Frau im Raum bin.
Dafür habe ich es hier mit einer Mannschaft von etwa vierzig Matrosen zu tun - und einem Kapitän.
Ich bewege mich zur Musik, fröhlich - da werde ich auch schon an der Hand genommen und in die Mitte des Raumes gezogen. Er wirbelt mich herum, wirft mich, hebt mich, schleudert mich - und vergisst, mich wieder einzufangen. Ich werde durch den Raum gewirbelt, und erhalte einen Freiflug durch die Bar.

Die Ronettes singen gerade „I wonder“, als ich eine Zwischenlandung gegen einen Pfeiler mache um dann, weiterfliegend, direkt gegen jemanden, der in der Ecke sitzt, zu knallen.
"Alles in Ordnung bei Ihnen Lady?"
- "Hmh...?!"
Mir wird schwindelig. Vor meinen Augen wellt sich alles....
*Bling*
Es ist ein Septembertag und ich sitze am Strand. Die Wellen wellen sich. Ich sitze in der Sonne und es ist richtig warm, der Wind ist angenehm. Wellenrauschen.
Ein älterer Herr neben mir versucht auf einem Baumstamm Platz zu nehmen und zupft akribisch genau an zwei Taschentüchern herum, bis alles paßt und er sich darauf setzen kann. Ich muß schmunzeln und drehe mich um, hinter mir sitzt ein Nudist auf seiner Decke und holt sich hektisch einen runter. Er scheint es sehr eilig zu haben. Es schüttelt mich kurz bei dem Gedanken, dass er das hinter mir tut, ohne an mögliche psychische Folgeschäden anderer anwesender Personen zu denken.
Vor mir sehe ich eine untersetzte Dame mit aprikotfarbenem Haar im Bikini, die ihre Akten sortiert und dabei ihr miniaturgroßes Umhängetäschchen um den Hals spazieren trägt. Mit ihrem Blättergewusel versucht sie sich ebenfalls auf einem Baumstamm niederzulassen, der allerdings im Wasser steht. Hier ist was los.
Die Wellen wellen sich stärker und ich sehe ein vorbeischipperndes Schiff, auf dem ein Matrose steht und mir zuwinkt. "Alles in Ordnung bei Ihnen Lady?" Ich winke zurück.
*Bling*

Ich fühle mich etwas orientierungslos, blinzle und sehe eine Hand, die sich vor meinen Augen hin und her bewegt.
"Hallo, Lady...?! - Alles in Ordnung...?"
Was war gerade los? Wo bin ich jetzt?
Ich liege in den Armen eines Matrosen, der mir zuwinkt.
"Was ist denn jetzt los, ich war doch eben noch am Strand...???"

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